Offene Überwachung ist legal
Ein Arbeitgeber hatte einen anonymen Hinweis erhalten, dass ein bei ihm in der Gießerei beschäftigter Mitarbeiter einen Arbeitszeitbetrug begangen habe. Nachdem der Arbeitgeber die Aufzeichnung einer offen am Werksgelände angebrachten Videokamera ausgewertet hatte, kündigte er das Arbeitsverhältnis des Mitarbeiters fristlos, hilfsweise ordentlich. Zur Begründung führte der Arbeitgeber an, dass der Mitarbeiter das Betriebsgelände betreten habe, es jedoch vor Beginn seiner Schicht wieder verlassen habe, während er im Zeiterfassungssystem weiter als anwesend geführt worden sei. Der Mitarbeiter erhob Kündigungsschutzklage und behauptete im Prozess, dass er am fraglichen Tag ordnungsgemäß gearbeitet habe. Er meinte zudem, dass die Erkenntnisse aus der Videoüberwachung einem Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot unterlägen und daher im Kündigungsschutzprozess nicht berücksichtigt werden dürften. Das Bundesarbeitsgericht war anderer Meinung und wies die Kündigungsschutzklage ab. In einem Kündigungsschutzprozess bestehe grundsätzlich kein Verwertungsverbot in Bezug auf solche Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen. Dies gelte auch dann, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts stehe. Im Prozess um eine fristlose Kündigung wegen eines vorsätzlichen Fehlverhaltens wiege das Interesse des Arbeitgebers an der Aufklärung des Sachverhalts stärker als die Datenschutzinteressen des Arbeitnehmers. Das in der Sache zuständige Landesarbeitsgericht, das zuvor die Verwertung des Videos im Prozess abgelehnt hatte, müsse daher das Überwachungsvideo in Augenschein nehmen und den Fall dann entscheiden, BAG, Urteil vom 29.06.2023, Az. 2 AZR 296/22.