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Praxisbericht
25. Juli 2023

Aufgepasst: Ab sofort gilt der neue Hinweisgeberschutz

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Aufgepasst: Ab sofort gilt der neue Hinweisgeberschutz
Bild: © Redaktionsbüro Schneider/gettyimages.de/Hans Neleman
Inhalte in diesem Beitrag
Nach zähen Verhandlungen in Bundestag und Bundesrat ist am 02.07.2023 das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Kraft getreten. Eine Übersicht hinsichtlich der wichtigsten Regelungen des Gesetzes erhalten Sie im folgenden Beitrag.

Das sind die Ziele des Hinweisgeberschutz­gesetzes

Häufig werden Missstände in Unternehmen von Mitarbeitern entdeckt. Wenn sie diese offenlegen, sind sie als Hinweisgeber – auch Whistleblower genannt – häufig erheblichen Repressalien ausgesetzt. Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) bezweckt, Benachteiligungen auszuschließen und Hinweisgebern Rechtssicherheit zu verschaffen. Für Arbeitgeber entstehen daraus mehrere Pflichten, insbesondere durch die Schaffung einer internen Meldestelle (s. u.) oder Verhaltenspflichten gegenüber den Hinweisgebern.

Hinweisgebende Personen sind geschützt

Gemäß § 1 HinSchG sind natürliche Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über bestimmte Verstöße erlangt haben und diese an die im HinSchG vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen, geschützt. Unter die Vorschrift fallen Arbeitnehmer, Geschäftsführer, freie Mitarbeiter, Stellenbewerber und ausgeschiedene Arbeitnehmer. Das Gesetz bezeichnet sie allgemein als hinweisgebende Personen.

Auf diese Fälle ist das Gesetz anwendbar

Der Anwendungsbereich des Gesetzes erstreckt sich in erster Linie auf alle Verstöße in einem Unternehmen

  • die strafbewehrt sind, § 2 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG, oder
  • bußgeldbewehrt sind, sofern die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib, Gesundheit oder dem Schutz der Rechte der Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient, § 2 Abs. 1 Nr. 2 HinSchG, oder
  • gegen nationale oder europäische Vorschriften in ausdrücklich aufgelisteten Rechtsbereichen (z.B. zur Bekämpfung von Geldwäsche, Vorgaben zur Produktsicherheit, Umweltrecht etc.),
    § 2 Abs. 1 Nr. 3 HinSchG.

Laut dem Regierungsentwurf zum Gesetz ist § 2 Abs. 2 HinSchG weit zu verstehen. Dies bedeutet, dass weite Teile des Arbeitsschutzes, aber auch Verstöße gegen das Mindestlohngesetz, in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen.

Verstöße gegen Com­pliance-Richtlinien sind nicht per se vom HinSchG erfasst, sondern nur, wenn sie inhaltlich dem Anwendungsbereich des § 2 HinSchG entsprechen.

In Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern sind interne Meldestellen Pflicht

Das HinSchG gilt grundsätzlich für alle Unternehmen („Beschäftigungsgeber“) – unabhängig von ihrer Größe und Beschäftigtenzahl. Unternehmen, die mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen, sind jedoch besonders betroffen. Sie sind verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten, an die sich Hinweisgebende mit ihren Informationen wenden können, § 12 HinSchG. Kleinere Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitern können sich nach § 14 Abs. 2 HinSchG mit anderen Kleinunternehmen zusammenschließen und eine gemeinsame Meldestelle einrichten und betreiben.

Externe Meldestellen unter staatlicher Zuständigkeit

Nach § 19 HinSchG ist die Einrichtung einer externen Meldestelle beim Bundesamt für Justiz vorgesehen. Die §§ 20 bis 23 HinSchG sehen die Einrichtung weiterer externer Meldestellen, z.B. durch die Länder, vor.

Interne Meldung soll Vorrang haben

Grundsätzlich können Personen, die beabsichtigen, Verstöße zu melden, wählen, ob sie sich an eine interne oder externe Meldestelle wenden. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 HinSchG soll jedoch in Fällen, in denen wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und keine Repressalien zu befürchten sind, bevorzugt eine interne Meldung erfolgen. Wenn einem intern gemeldeten Verstoß nicht abgeholfen wurde, bleibt es der hinweisgebenden Person nach dem Gesetz unbenommen, sich an eine externe Meldestelle zu wenden. Das Gesetz sieht außerdem vor, dass Beschäftigungsgeber Anreize schaffen sollen, damit sich Hinweisgeber vor einer Meldung an eine externe Meldestelle an die interne Meldestelle wenden.

Die Pflicht zur Errichtung einer internen Meldestelle besteht ab dem Inkrafttreten des Gesetzes für Unternehmen mit 250 und mehr Mitarbeitern. Für Kleinunternehmen bis 249 Mitarbeiter gilt die Verpflichtung erst ab dem 17.12.2023.

Erster Schritt: Einrichtung von Meldekanälen

Gemäß § 16 HinSchG müssen Unternehmen, die eine interne Meldestelle vorhalten, Meldekanäle einrichten, über die Mitarbeiter Informationen über Verstöße melden können. Die Melde­kanäle sollen die Meldung in mündlicher Form oder in Textform ermöglichen (z.B. Einrichtung einer Whistleblower-Hotline oder einer gesonderten E-Mail-Adresse). Auf Wunsch des Hinweisgebers soll es über diese Kanäle auch möglich sein, innerhalb eines angemessenen Zeitraums ein persön­liches Treffen zur Besprechung zu verabreden.

So läuft das Verfahren bei internen Meldungen

Den weiteren Ablauf bei internen Meldungen regelt § 17 HinSchG. Danach hat die interne Meldestelle

  • der hinweisgebenden Person den Eingang seiner Meldung spätestens nach sieben Tagen zu bestätigen,
  • zu überprüfen, ob der gemeldete Verstoß in den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes fällt,
  • mit der hinweisgebenden Person Kontakt zu halten,
  • die Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung zu prüfen,
  • die hinweisgebende Person erforderlichenfalls um weitere Informationen zu ersuchen sowie
  • angemessene Folgemaßnahmen zu ergreifen.

Außerdem müssen Meldungen nach § 11 HinSchG unter Beachtung des Gebots der Vertraulichkeit dokumentiert werden.

Diese Folgemaßnahmen sieht das Gesetz vor

Als Folgemaßnahmen sieht das Gesetz in § 18 insbesondere die Durchführung einer internen Untersuchung, die Verweisung der hinweisgebenden Person an eine andere Stelle, die Beendigung des Verfahrens aus Mangel an Beweisen oder aus anderen Gründen oder die Abgabe des Verfahrens an eine zuständige Behörde zwecks weiterer Unter­suchungen vor.

So verfahren externe Meldestellen

Auch die externen Meldestellen richten Meldekanäle ein, über die Informationen über Verstöße gemeldet werden, wobei auch hier keine Pflicht besteht, anonyme Meldungen zu bearbeiten. Die externen Meldestellen müssen dem Hinweisgeber spätestens nach sieben Tagen den Eingang seiner Meldung bestätigen, die Stichhaltigkeit der Meldung überprüfen und Folgemaßnahmen ergreifen. Spätestens nach drei Monaten – bei umfangreichen Fällen spätestens nach sechs Monaten – erhält der Hinweisgeber eine Rückmeldung.

Offenlegung ist nur in Ausnahmefällen erlaubt

In Ausnahmefällen kann eine hinweisgebende Person Informationen über Verstöße offenlegen, sich also z.B. direkt an die Presse wenden oder Informationen selbst über soziale Medien verbreiten. Der Hinweisgeber kann sich aber nur dann auf den Schutz des HinSchG berufen, wenn die in § 32 HinSchG genannten Voraussetzungen vorliegen. Zulässig ist eine Offenlegung nur,

  • wenn zunächst eine externe Meldung erstattet wurde, fristgerechte Folgemaßnahmen jedoch unterblieben sind oder keine Rückmeldung erfolgt ist oder
  • wenn hinreichender Grund zur Annahme besteht, dass der Verstoß wegen eines Notfalls, der Gefahr irreversibler Schäden oder vergleichbarer Umstände eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellt.

Diese Voraussetzungen müssen Hinweisgeber erfüllen

Hinweisgebende Personen haben dann Anspruch auf gesetzlichen Schutz vor Repressalien, wenn

  • sie eine dem Gesetz entsprechende interne oder externe Meldung oder eine Offenlegung gemacht haben,
  • sie hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die von ihr gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprechen und
  • die Informationen Verstöße betreffen, die in den Anwendungsbereich des HinSchG fallen bzw. die hinweisgebende Person hinreichenden Grund zur Annahme hatte, dass dies der Fall ist.
Die interne Melde­stelle soll auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten. Eine Verpflichtung, die Abgabe anonymer Meldungen zu ermöglichen und zu bearbeiten, sieht das Gesetz nicht vor.

Diese Schutzmaßnahmen enthält das Gesetz für hinweisgebende Personen

Die in der Praxis voraussichtlich wirksamsten Schutzmaßnahmen sind in § 36 HinSchG geregelt. Danach sind Repressalien oder die Androhung von Repressalien gegen hinweisgebende Personen verboten. Verboten sind demnach z. B. Suspendierungen, Kündigungen, Versetzungen, Gehaltsminderungen, Ausschluss von Beförderungen, negative Leistungsbeurteilungen etc. Dabei gilt gemäß § 36 HinSchG eine Beweislastumkehr zugunsten der hinweisgebenden Person. Erleidet sie eine Benachteiligung bei ihrer beruflichen Tätigkeit und macht sie geltend, dass diese Benachteiligung infolge einer Meldung oder Offenlegung nach dem HinSchG erfolgt ist, muss die benachteiligende Person beweisen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basiert.

Das HinSchG enthält Regelungen über eine Verpflichtung zum Schadenersatz, die in beide Richtungen abzielt. Nach § 37 HinSchG ist bei
einem Verstoß gegen das Verbot von Repressalien der Verursacher verpflichtet, dem Hinweisgeber Schadenersatz zu leisten. § 38 HinSchG enthält eine Schadenersatzpflicht der hinweisgebenden Person, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Informationen meldet oder offenlegt.

Annemarie Böttcher

Annemarie Böttcher
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