Sie verwenden einen veralteten Browser. Um im Internet auch weiterhin sicher unterwegs zu sein, empfehlen wir ein Update.

Nutzen Sie z.B. eine aktuelle Version von Edge, Chrome oder Firefox

News
10. September 2025

Keine Kündigung trotz Zeugenübereinstimmung

Gratis
Keine Kündigung trotz Zeugenübereinstimmung
Bild: ©Redaktionsbüro Schneider/gettyimages.de/Zolnierek
Bei einer Kündigung in der Probezeit muss der Arbeitgeber zwar keine Gründe darlegen, wohl aber den Zugang der Kündigung nachweisen. Dass dabei auch mehrere Zeugen nicht immer weiter­helfen, zeigt ein aktuelles Urteil.

Beweiswürdigung ist Sache des Gerichts

Ein Arbeitgeber wollte das Arbeitsverhältnis mit einer Bürokraft innerhalb der Probezeit kündigen und behauptete im anschließenden Kündigungsschutzprozess, er habe der Arbeitnehmerin das Kündigungsschreiben im Beisein von drei Zeugen übergeben wollen. Nachdem diese sich geweigert habe, das Schreiben entgegenzunehmen und den Empfang zu quittieren, sei es auf ihren Schreibtisch gelegt worden. Da die Arbeitnehmerin den Zugang der Kündigung bestritt, wurden die vom Arbeitgeber benannten Zeugen vom Gericht vernommen. Obwohl diese den Sachvortrag des Arbeitgebers inhaltlich übereinstimmend bestätigten, gab das Gericht der Kündigungsschutzklage statt. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass bei der Würdigung von Zeugenaussagen die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Aussagepsychologie zu berücksichtigen seien. Maßgeblich sei, ob die Schilderungen auf tatsächlich Erlebtem beruhen – erkennbar etwa an sogenannten Realkennzeichen – oder ob sie ergebnisorientiert konstruiert erscheinen. Das Vorliegen von Realkennzeichen spreche für die Glaubhaftigkeit einer Aussage. Im Streitfall hätten die Aussagen der Zeugen jedoch jeweils für sich genommen keine ausreichenden Realkennzeichen aufgewiesen. Sie seien nicht durch individuell unterschiedliche Wahrnehmungen geprägt gewesen, sondern im Kerngeschehen auffallend gleichförmig. Auffällig sei zudem, dass alle Zeugen in bemerkenswerter Detailtiefe geschildert hätten, welche genaue Position sie selbst bei der Übergabe eingenommen hätten, während die Arbeitnehmerin in den Schilderungen kaum vorkomme. Auch hätten die Zeugen keine anschaulichen Angaben zu einer emotionalen Reaktion oder einem Verhalten der Bürokraft gemacht, obwohl es sich um eine außergewöhnliche Situation gehandelt habe. Die Zeugenaussagen hätten das Gericht nicht von einem tatsächlichen Zugang der Kündigung überzeugen können, LAG Niedersachsen, Urteil vom 26.5.2025, Az. 4 SLa 442/24.

Soll der Zugang einer Kündigung im Streitfall durch Zeugen bewiesen werden, empfiehlt es sich, die Zeugen zeitnah nach dem Vorgang zu bitten, ein möglichst detailliertes Protokoll anzufertigen. Dieses sollte alle relevanten Umstände der Übergabe dokumentieren und dient im Streitfall als verläss­liche Gedächtnisstütze.

Annemarie Böttcher

Annemarie Böttcher