Kontaktaufnahme im Urlaub muss versucht werden
Gegen einen wegen seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit ordentlich unkündbaren Zugchef wurden von einem Zugbegleiter Vorwürfe aufgrund einer sexuellen Belästigung erhoben. Der Arbeitgeber erhielt am 27.04.2023 Kenntnis von dem Vorfall, der sich am 24.04.2023 ereignet haben soll. Da sich der Zugchef ab dem 25.04.2023 in Ruhezeit und unmittelbar anschließend bis zum 21.05.2023 im Urlaub befand, konfrontierte der Arbeitgeber ihn in einem Schreiben vom 22.05.2023 mit dem Vorwurf der sexuellen Belästigung und der Möglichkeit einer Verdachtskündigung. Nachdem der Zugchef die Kündigungsgründe zurückgewiesen hatte, kündigte der Arbeitgeber nach erfolgter Betriebsratsanhörung mit Schreiben vom 06.06.2023 fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 31.12.2023. Der Zugchef klagte erfolgreich gegen die Kündigung. Nach Meinung des Gerichts habe der Arbeitgeber die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) nicht eingehalten. Diese Frist beginne zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlange. Besitze dieser nur Anhaltspunkte für den Kündigungsgrund, könne er nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginne. Solle der Kündigungsgegner angehört werden, müsse dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen, die im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen dürfe. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BAG zu den Fällen einer krankheitsbedingten Abwesenheit sei davon auszugehen, dass der Arbeitgeber auch in den Fällen einer längeren urlaubsbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers von mehr als drei Wochen gehalten sei, nach Kenntnis der Kündigungsvorwürfe bereits innerhalb des laufenden Urlaubes an den Arbeitnehmer heranzutreten. Dabei habe er zu klären, ob der Arbeitnehmer willens und in der Lage sei, ungeachtet seiner urlaubsbedingten Abwesenheit an der gebotenen Sachaufklärung mitzuwirken. Unterlasse dies der Arbeitgeber, wie hier, sei die Kündigungsfrist versäumt und die Kündigung unwirksam, LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.12.2024, Az. 12 Sa 25/24.