Bei der Ruhezeit gibt es zwei Paar Stiefel
Einem bei der ungarischen Eisenbahngesellschaft beschäftigten Lokführer stand laut Tarifvertrag eine wöchentliche Mindestruhezeit von 42 Stunden zu. Da laut EU-Recht nur eine wöchentliche Mindestruhezeit von 24 Stunden einzuhalten ist, war der Arbeitgeber der Meinung, dass durch die höhere tarifliche Wochenruhezeit die tägliche Mindestruhezeit von elf Stunden mitabgegolten ist, wenn diese der wöchentlichen Ruhezeit unmittelbar vorausgeht oder nachfolgt. Der Lokführer war anderer Meinung und zog vor Gericht. Der EuGH gab ihm Recht und begründete seine Entscheidung mit der unterschiedlichen Zielrichtung der Ruhezeiten. Die tägliche Ruhezeit ermögliche es Beschäftigten, sich für eine bestimmte Anzahl von Stunden aus ihrer Arbeitsumgebung zurückzuziehen. Die wöchentliche Ruhezeit diene dem Zweck, sich pro Siebentageszeitraum auszuruhen. Die tägliche Ruhezeit sei nicht Teil der wöchentlichen Ruhezeit. Sie sei vielmehr zusätzlich zu gewähren, auch wenn sie der wöchentlichen Ruhezeit unmittelbar vorausgehe oder nachfolge. Dies gelte auch für den Fall, dass die wöchentliche Ruhezeit länger sei als von der Arbeitszeitrichtlinie vorgegeben. Eine günstigere Regelung zur wöchentlichen Ruhezeit schmälere nicht das Recht auf die tägliche Mindestruhezeit, EuGH, Urteil vom 02.03.2023, Az. C-477/21.
So regelt das Arbeitszeitgesetz die Ruhezeiten
Die dem Urteil zugrunde liegende europäische Arbeitszeitrichtlinie spiegelt sich in den §§ 5 und 9 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) wider.
- Gemäß § 5 ArbZG haben Beschäftigte nach Ende ihrer täglichen Arbeitszeit Anspruch auf eine tägliche elfstündige Ruhezeit (branchenspezifische Ausnahmen sind zulässig).
- Gemäß § 9 ArbZG besteht das Verbot der Sonntagsarbeit. Hierdurch (bzw. durch Ersatzruhetage bei Sonntagsarbeit nach § 11 ArbZG) wird die wöchentliche Ruhezeit von mindestens 24 Stunden gewährleistet.